Iran – Schurkenstaat oder Reiseparadies?

Wieder frei – in der Wueste

Ich muss den Iran wohl oder uebel als ein “Land der Kontraste” bezeichnen. Die Leute sind sehr freundlich und laden einen dauernd zum Tee ein, die Landschaft ist wunderschoen und die Verkehrsinfrastruktur ist absolut vorbildlich!

Von der pakistanischen Grenze bis nach Zahedan ins Hotel wurde ich wieder von der Polizei eskortiert, diesmal behielt man meinen Pass und Carnet ein. Im Hotelhof bot sich mir ein recht unerwarteter Anblick (siehe unten). Da das Hotel zur Staatstourismuskette gehoerte, war es teuer, ohne jedoch besonderen Service zu bieten (1.800.000 Rial; ca 45 Euro, incl. Abendessen). Geld wollte man mir doch tatsaechlich fuer 28.000 IR/1 EUR wechseln, freie Geldwechsler geben fast 40.000!

Ich wurde jedenfalls nach einiger Wartezeit am naechsten Morgen aus der Stadt raus etwa 150km in Richtung Kerman eskortiert. Langsam nervte mich das, da die Eskorte alle 30-40km gewechselt wurde und man immer ne halbe Ewigkeit auf die naechste wartet. Dann aber hielt das letzte Bewacherauto ploetzlich mitten in der Wueste. Ich bekam meine Papiere durchs Fenster rausgereicht und weg waren sie. Naja, mir wars recht. Dann gings weiter bis nach Kerman, wo ich recht zufaellig auf ein anstaendiges, vergleichsweise guenstiges, englischsprachiges Hotel traf (Hotel Akhavan; 25 EUR incl. Halpension -gut und reichlich). Es war voller Deutscher und sogar einem Belgier, der auf ner Africa Twin in die Gegenrichtung unterwegs ist.

Weiter gings ueber Yazd und Tehran, wo ich aber je nur eine Nacht verbrachte, da ich weder Bock auf zielloses Herumirren mit Stadtkarten nur in Persisch, die dann nicht mal die Einheimischen richtig lesen koennen, noch auf stundenlange Superstaus hatte. Nur in Bandar Anzali blieb ich zwei Naechte in einem netten (auch nicht billigen) Hotel direkt am Strand des Kaspischen Meeres, um mal den Hintern auszuruhen (seit Quetta keinen Tag fahrfrei), Reifen zu wechseln und Postkarten zu schreiben. Leider gab es keinen Kaviar, was ich extra auf der oertlichen Kaviarbehoerde erfragte. Der Iran hat den Stoerfang stark reglementiert, damit dieser nicht voellig ausstirbt und produziert nur wenige Monate im Jahr, beginnend im Januar. Naja, man kann nicht alles haben.

Von Anzali aus begab ich mich weiter, nun die Berge hoch und durch drei Jahreszeiten (Spaetsommer an der Kueste, goldener Herbst bis zur Baumgrenze und bitterkalter Winter auf den Passstraszen). Absolut herrliche Landschaft, sehr zu empfehlen!

Als Individualtourist hat man allerdings nicht unbedingt ein leichtes Leben im alten Persien. Englisch spricht fast gar niemand und die relativ duenn gesaeten Hotels schreiben das auch haeufig nur in persisch (Farsi) drauszen dran. Bezeichnend fuer diese Situation war mein letzter Abend im Iran: Ich hatte vor, die Nacht in Tabriz zu verbringen. Das ist eine grosze Stadt im Nordiran. Dort wollte ich auch in Erfahrung bringen, ob ein Grenzuebergang nach Armenien geoeffnet ist, oder ob ich ueber die Tuerkei fahren muss. Ich fuhr also in die Stadt ein, steckte etwa zwei Stunden im Berufsverkehr fest und fand nicht einmal den kleinsten Hinweis auf ein Hotel (geschweige eine preisguenstige Herberge). Entnervt beschloss ich weiter nach Norden zur kleineren Stadt Marand zu fahren, wo ich meine Chancen aufgrund gegebener Uebersichtlichkeit hoeher einschaetzte. Dort fragte ich nach dem Weg. Ein Mann auf einem Mopped lotste mich dann zu einem Hinterhof. Da bin ich lieber schnell abgehauen. Der naechste wollte mir in seinem Auto den Weg zeigen, es ging kreuz und quer durch die Stadt, zweimal in Sackgassen, aber schlieszlich doch in ein kleines Hotel. Das war voll. Die Strasze davor menschenleer. Also fuhr ich wieder in die Stadtmitte und fragte erneut, diesmal einen beleibten Mann wieder auf einem Mopped. Dieser raste wie ein Henkersknecht durchs naechtliche Marand, um mich, man ahnt es, wieder vor dem vollen Hotel abzuliefern. Ich haette es ihm auch eher gesagt, aber dazu war er zu schnell unterwegs. Nun aber wollte er keine halben Sachen machen und zeigte mir den Weg zu einem anderen Hotel am anderen Ende der Stadt. Voll. Das dritte und letzte Hotel der Stadt befand sich noch im Bau. Weil ich Mitleid mit dem armen Mann hatte, der mich nur duerftig bekleidet, durch die kalte Nacht eskortierte, gab ich ihm mein Paar Ersatzhandschuhe. Unabhaengig davon bot er mir nun an, ich koenne auch bei ihm schlafen, er habe eine grosze Wohnung mit vielen Zimmern. In Ermangelung einer Alternative willigte ich ein. Parvis, Obsthaendler von Beruf, fuehrte mich nun zu seinem Laden, wo ich das Hiatamadel unterbrachte. Dann schipperte er mich zu einem Imbiss, gab mir was zu essen aus und schlieszlich zu seiner Wohnung. Darueber moechte ich keine unnoetigen Worte verlieren, denn es schickt sich nicht, an seinem ueberaus edlen Gastgeber  herum zu maekeln, auch wenn dessen Wohnung in einem bedenklichen hygienischen Gesamtzustand ist. Ich hatte den Fotoapparat auch beim Motorrad gelassen. Gut so. Ein Raum jedoch war sehr schoen. Leer bis auf einen mollig warmen Ofen und dick mit Teppichen, Kissen und Decken ausgelegt, wo ich mir mein Nachtlager einrichtete.

Am naechsten Morgen gab es ein ausgiebiges Fruehstueck: Fladenbrot, auf dem Stubenofen aufgebacken, mit Sahne und eingelegten Fruechten. Sehr lecker! Dann fuhren wir zurueck zum Obstladen, allerdings nicht auf direktem Weg, denn Parvis musste mich noch einigen Bekannten praesentieren. Und er ist anscheinend der bunte Hund von Marand. Unter anderem hielten wir auch beim Praesidenten des oertlichen Enduro-Motorradclubs, welcher mich gleich zum Mittagessen bei sich zu Hause einlud. Da ja bekanntlich die Zeit etwas draengte, musste ich ablehnen. Der Praesident begleitete uns aber selbstverstaendlich zum Obstladen, wo wir das Mopped rausholten und dann noch fuer einige Erinnerungsfotos posierten. Auch fuer einige Passanten, die sich mittlerweile um den Laden  angesammelt hatten. Dann poetterten wir zu dritt zur naechsten Tanke. Mr. President liesz es sich partout nicht nehmen, mir meine 15 l Benzin zu bezahlen. Dann ging es zur Ausfallstrasze in Richtung Jolfa, Verabschiedung und schon so gegen elf konnte ich die letzten 130 km im Iran angehen.

An der Grenze zu Armenien verlief alles wie am Schnuerchen, freundlich interessierte Beamte, keine Stunde Wartezeit und keinerlei Probleme.

Alles in allem ist der Iran weder verschurkt noch paradiesisch. Ein ganz normales Land mit vielen schoenen, aber auch einigen anstrengenden Aspekten – Angst muss man jedenfalls keine haben!

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13 Antworten auf Iran – Schurkenstaat oder Reiseparadies?

  1. bica sagt:

    Hm, Reiseparadies- das gilt aber sicherlich nur für männliche Alleinreisende. Eine Frau allein hätte vielleicht außer Sprach- noch andere Schwierigkeiten. Trotzdem schön, dass du auch gute Erfahrungen gemacht hast.

  2. SieduZer sagt:

    Möööönsch, bei dem Schneebild sind mir fast die Tränen gekommen. Na um ganz bei der Wahrheit zu bleiben, ich hab heimlich und leise ganz ganz kurz geweint.

  3. Micha sagt:

    Schön zu hören, dass alles gut geklappt hat. Man kann gegen seine Vorurteile einfach nicht so richtig an ;P Jetzt ist es ja nur noch ein Katzensprung. Bin gespannt, wie es weiter geht.

  4. Z sagt:

    “örtliche Kaviarbehörde”

    ;)

  5. Seppel sagt:

    Aber Ralle das wird nicht die letzte Eskorte sein die dich begleiten wird ;-) hoffe das klappt.
    Grüße Seppel

  6. Robert sagt:

    Erinnert mich an meinen Trip durch Syrien 2011 und Urlaubsreisen zu DDR Zeiten…aber mehr an Syrien..bevor mir hier ein Ostalgist aufs Dach steigt.., Ich hätte aber bei IRAN mehr Reiseeuphorie erwartet..von wegen geheimtip, “musst Du mal machen” etc..bin etwas ernüchtert.sag mal hast Du die Kontaktdaten von dem Schweizer behalten, der öfters mit seinem Minibus nach Indien fährt??Würde mich da gern mal anschließen.. Hug rob.. vergess das Kartenschreiben nicht und GLÜCK AUF!

  7. Marco sagt:

    Moin,

    hier ist Marco aus Malschwitz. Ich hatte dir schonmal aus Thailand geschrieben, also du auch grad da warst. Weißt du? Ich habe da mal ein paar Fragen zu den fotografierten Lkw´s im Iran. Würdest du einmal Kontakt per Mail mit mir aufnehmen?

    Danke & Gruß
    Marco

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