Europa

Auf Wiedersehen Batumi, Georgien, Asien

Ich fand mich also zur verabredeten Zeit um 1400 im Hafen ein. Dort mussten nur noch ein paar LKW und ein Eisenbahnzug auf die Faehre geladen werden und bereits auf dem Schiff wurden die Paesse gestempelt. So gegen 2100 stachen wir schlieszlich in See.

Die Ueberfahrt verlief ruhig bei sehr schoenem Wetter. Die etwa 100 ukrainischen Trucker sprachen zwar kaum englisch, aber oft gaben sie mir Mandarinen. Wahrscheinlich hatten alle Laster auf dem Schiff tonnenweise georgische Mandarinen geladen. Da die Fahrtdauer mit sechzig Stunden angegeben wurde, rechnete ich dementsprechend mit der Ankunft am fruehen Morgen. Aber anscheinend wurde die Greifswald volle Bude ueber die Black Sea gepruegelt, sodass wir nach exakt zwei Tagen in Iljitschowsk einliefen. Nach der Passkontrolle auf dem Schiff konnte ich runter ins Frachtdeck und aufsatteln.

Schlieszlich sasz ich abmarschbereit auf dem Mopped, das europaeische Festland in Form der Rampe etwa drei Meter von mir entfernt. Aber der Zoll liesz erstmal noch ne Stunde niemanden runter fahren. Dann ploetzlich durfte ich, aber nur bis neben die Rampe auf dem Zollhof. Wieder ne gute Stunde warten. Dann gings richtig los: Irgendwann kam der Zoll samt Drogenhund und wollte in alle Taschen reingucken. Aber nur reingucken, nichts auspacken. Dann schickte mich der Zollchef zu einem Buero an einer anderen Ecke des Hafengelaendes. Damit ich mich nicht verfahre, sollte ich einem Georgier in nem Opel folgen, der aber auch keine meiner Sprachen verstand.

Jedenfalls gings zu einem Buero, wo ich sechs Zettel ausgehaendigt bekam, welche ich zu unterschreiben hatte. Dann wurden alle gestempelt und einer einbehalten. Damit sollte ich nun in ein weiteres Buero, im Gebaeude nebenan. Dort war ein Mann drin, der grade Counterstrike zockte. Der zog eine Kopie von meinem Pass und Fahrzeugschein, stempelte diese und jeden der fuenf anderen Zettel, von denen er einen behielt. Dann sollte ich zum Hauptgebaeude der Hafenmeisterei (der georgische Kumpel zeigte in die Richtung und sagte “большой дом!” und gestikulierte dabei “groszes Haus”. Ich habs gefunden.) Da musste ich ins Buero des Zollmeisters, der sogar ein paar Worte deutsch sprach (“Biette sjetzen Sie!”). Er nahm die Passkopie, stempelte die verbliebenen vier anderen, behielt auch davon einen und schickte mich ein Stockwerk hoeher. Dort klopfte ich an eine Tuer, in der sich ein kleines Durchreichefenster oeffnete. Dahinter waren eine Frau und ein Mann in Tarnuniformen mit Kaffeebechern in der Hand, die mich grimmig anguckten, aber die Zettel nahmen, stempelten, einen behielten und mich eine Tuer weiter schickten. Dort saszen zwei freundliche Frauen in Zivil drin, lieszen mich wieder was unterschreiben, stempelten die zwei Zettel, behielten einen und schickten mich – wirklich – zum Pfoertnerhaeusl! Als ich dieses dann gefunden hatte, holte ich stolz meinen letzten Zettel hervor und wollte rausgelassen werden. Aber da hatte ich mich noch zu frueh gefreut, denn ich musste noch zum Pfoertnereibuero. Das war gluecklicherweise gleich nebenan, und die Frau da drinnen stempelte anstandslos meinen Zettel – ohne ihn zu behalten! Den gab ich nun dem Wachmann. Schranke hoch und schon 0030 gings auf nach Odessa/Ukraine/Europa!

In Odessa hab ich einen Tag lang Winterklamotten gesucht und einen stadtgebummelt. Aber es war sehr neblig und feucht.

Als ich schlieszlich nach Kiew weiterfuhr, konnte ich kaum die Hand vor Augen sehen.

In der Hauptstadt bin ich nach zwei Tagen aus dem Hostel am Majdan (Platz der Unabhaengigkeit) geflogen. Denn die zentrale Lage und der niedrige Preis praedestinieren es fuer die Kommandozentrale der Anti-Janukowitsch Bewegung (pro irgendwas- kann ich aus den Medienberichten jedenfalls nicht entnehmen).

Lustigerweise hab ich sogar gehoert, dass etliche Demonstranten bezahlt werden! Hm, von wem wohl..? Aber das sind Geruechte. Fakt ist, dass alle Hostels im Zentrum komplett mit Demonstranten belegt waren, ueberwiegend maennlich und zwischen 40 und 50 Jahre alt. Und ohne englische Sprachkenntnisse. Fakt ist auch, dass die Demonstrationen ueber meine gesamte Anwesenheit in Kiew andauerten und wohl noch weiter gehen. Auch nachts und ohne Pause. Mit riesiger Soundanlage und Konzerten und allem Pipapo! Naja, in den meisten EU-Staaten waeren die wohl nach zwei Tagen weggewasserwerfert worden!

Kiew ist allgemein eine schoene Stadt: Alles sieht fein aus, die Menschen sind freundlich und das Essen ist lecker. Sogar die U-Bahnhoefe sind sauber, und frei von Vandalismus und Pissegestank (!) und eine Fahrt kostet 2UAH (ca 0,20EUR). Ueberhaupt ist U-Bahn fahren ne Erfahrung, denn man faehrt mit sehr schnellen Rolltreppen Ewigkeiten in die Tiefe und kommt, wenn man an einer anderen Stelle wieder hoch faehrt, etliche Haeuserblocks weiter weg wieder raus, ohne ueberhaupt einen Zug bestiegen zu haben!

Waehrend meines Aufenthaltes hatte ich drei (volle) Tage Besuch von Fanie! Gut, eigentlich nur zwei, denn einen davon war ich auswaerts… Aber da meine Reisebegleitung multikulturell interessiert ist, bin ich viel in Kiev rumgekommen und habe obendrein auch noch einiges gelernt: Die Ukraine gibts schon laenger als Russland und wurde beeinflusst von vielen Voelkern und Kulturen wie etwa den Skythen, Griechen, Mongolen, Byzantinern, Polen, Litauern etc. (bei tieferem Interesse einfach melden, ich leite die Anfragen dann an Fanie weiter). Kiew selbst ist schon an die 1500 Jahre alt und galt als die wichtigste Stadt des orthodoxen Christentums neben Byzanz (heute Istanbul). Aus diesen und anderen Gruenden ist Kiew auch als “Die Mutter aller russischen Staedte” bekannt, obwohl sie eigentlich immer ukrainisch war.

Einen kurzen (und teuren) Tagesausflug in das Ausschlussgebiet um den 1986 havarierten Kernkraftwerksblock IV des AKW Tschernobil konnte ich mir jedoch auch nicht entgehen lassen. Leider gibts das nur per gefuehrter Tour mittels staatlichem Reiseveranstalter. Da wollte die Fanie nicht mit und ich wuerde allen, die kein Interesse an verlassenen Orten mit erhoehter Strahlenbelastung haben, ebenfalls abraten. Ansonsten jedoch ein Muss! Leider ist man momentan dabei, eine neue Huelle um den alten Sarkopharg zu bauen, wodurch er sein bekanntes Erscheinungsbild bereits weitgehend eingebueszt hat. Aber immerhin ist Pripjat-City noch ganz gut erhalten und echt einen Blick wert. Lustigerweise ist ein Tagesausflug in die Zone weniger gefaehrlich als ein Transatlantikflug, wenn man nicht vom Weg abweicht. Denn in 10.000m Hoehe ist man ueber 5µSv/h (Mikrosievert pro Stunde) ausgesetzt. In Pripjat herrschen kaum mehr als 1µSv/h, selten mal 2-3µSv/h (Grenzwert fuer gefahrlos bewohnbare Orte liegt bei 0,3µSv/h, Zentrum Kiew: 0,16µSv/h, Tschernobyl Ortsmitte 0,14µSv/h!)  Ich hatte dazu auch ein cooles kleines Dosimeter, was noch die traditionellen Klicklaute gemacht hat! Nur an manchen “Hotspots” in der Kernzone kommt man auch mal auf 15-20µSv/h. Aber die sind speziell gekennzeichnet und recht selten. Alles in allem recht interessant, aber wohl nur fuer Wenige die 120 Euro wert.

Ich koennte noch viel ueber die Ukraine schreiben, besonders ueber Kiew, aber mittlerweile bin ich muede und schon in Warschau. Damit weisz der aufmerksame Leser, dass ein Ende meiner transkontinetalen Odyssee absehbar ist. Daher gebe ich nun erstmals offiziell, wenn auch unter Vorbehalt*, mein Heimkehrdatum an: 07.12.13! Bis recht bald!

*Wetterbedingungen, technische Probleme, hoehere Gewalt koennen weitere Verzoegerungen verursachen.

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8 Antworten auf Europa

  1. kai sagt:

    Hey hey Ralf, hier ist kai aus Kalgoorlie bzw. momentan Hamburg. Bin immer fleißig am lesen bei dir, und muss nur sagen echt tolle Sache die du da machst. Schade das du in Indien so lange verharren musstest und dein Reisezeitplan durcheinander gebracht wurde, weil bei diesen Wetter stell ich mir das nicht mehr so romantisch auf dem Moped vor aber naja kann mal passieren bist ja fast zuhause. Falls du dich noch erinnerst hatte ich dir von meinen Auto träumen erzählt und habe jetzt einen “Toyota HJ47 Troop Carrier” (kannst ja googeln wenn du mal ein richtiges Auto sehen willst) ich glaube der würde dir auch gefallen nach dem ich dein Auto gesehen hatte. Was steht jetzt bei dir als nächstes an zurück in die Arbeitswelt? Weiter Reisen? Reine Neugierde für meine reise, wie viel km hast du zurückgelegt? weil dein tank inhalt vebrauch ich in 150km und das ist das auch ne kosten frage.

    Dann mal noch eine sichere Fahrt ohne Glatteis. Gruß Kai

    • The Ralf sagt:

      Nein, herrlich! Benzin oer Diesel? Glueckwunsch auf jeden Fall! Wie gehts denn nun weiter?

      • kai sagt:

        Natürlich Diesel 4 Liter 6 Zylinder in reihe :-) . Ende Januar nach australien 3 Monate arbeiten und dann los. Aber will nicht viel in Austrlien reisen zu teuer also schnell WA hoch nach Darwin aber direkt nach Singapur nicht nach Dili wie du Auto ist nicht so reise freundlich und teurer im Verschiffen.

  2. robroy sagt:

    ist der Artikel etwa beim Geheimdienst ins Russische und wieder zurück übersetzt worden? So schreibt der Ralf doch nicht ?? Oder hast du den in einem finsteren Keller schreiben müssen ?? Na , Hauptsache wieder etwas von Dir zu hören!! Und die mehrfache seufzende verwendung des Wortes EUROPA lässt auf erwartungsvolles Heimweh schliessen.. sei Dir aber auch gegönnt..Harter Hund! Am Donnerstag den 5.12. halte ich bei mir im Laden den WA vortrag und feiere unseren Kennenlern Jahrestag (fast).. Freue mich auf Deinen Zwischenstopp und zieh Dich warm an die letzten Tausender!!

    • The Ralf sagt:

      Ja, ich kann nicht immer ein Ereignis sein… Ich war etwas muede…

      Tja, aufgrund der steckenplanung und des wetters wirds auch nix mit nem “Zwischenstopp”…allerdings im Neuen Jahr wirds kein ding sein…dann vllt sogar schon bissl vorbereitet…

      Heute schon in Berlin…bis dann!

  3. fanie sagt:

    So kurz vor zu Hause setzt das Fernweh wieder ein… :)

    Wenn jedes Land in dem Du warst, so viel viel viel mehr ist, als das was man erwartet und Du in drei Seiten beschreiben kannst… wie die Ukraine bzw. Kiev es sind, dann ist die Welt enorm groesser und weiter, als sie mir so schon vorkam!

    Diese Weisheit, die Du in Dir tragen musst!
    ;)

    Wuensch Dir Sonnenschein in Warszawa, (nicht zu kalten) Rueckenwind bei der Heimreise… und Gute Fahrt auf den letzten Kilometern! Grüß mir Warszawa und Berlin!!!

  4. Micha sagt:

    Mensch. Nu biste wirklich gleich daheim. Und mit dem Wetter hast du auch noch richtig Glück. Kein Schnee. Morgen wird’s bissl stürmisch, aber das passt schon.
    Und mach nen Ruhigen auf den letzten Metern, Nicht hetzen lassen.

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